Trans*feindlichkeit in den USA

Politik gegen trans* Menschen in den USA und Proteste gegen patriarchale Strukturen, Gewalt und Unterdrückung von Flinta* in der Bundesrepublik

Von Daria

Breitseite-Ausgabe SoSe 2023

Zur Walpurgisnacht am 30. April wird traditionell gegen die Unterdrückung von Frauen, Lesben, inter* und nicht-Binären, trans* und agender Personen demonstriert. Auch in Freiburg haben ca. 400 Flinta* im Rahmen der diesjährigen „Take Back The Night“-Demo gegen Queerfeindlichkeit, patriarchale Gewalt und Strukturen sowie die damit einhergehende Unterdrückung von Flinta* in Deutschland und weltweit demonstriert.1
Bei den Protesten wurde auf die vielen Krisen aufmerksam gemacht, von denen aktuell Gefahr, Gewalt und Unterdrückung für Flinta* ausgehen: im Iran, in Afghanistan, aber auch in Deutschland, wo immer wieder tätliche, queerfeindliche Angriffe verübt werden. Thema war dabei auch die ständige Änderung der Gesetzeslage zum Nachteil von Flinta* in den Vereinigten Staaten. Es geht dabei zwar auch um viel diskutierte Themen wie Abtreibungsverbote, aber gerade auch die Rechte von trans* Menschen werden dort sukzessive eingeschränkt. Binnen eines Jahres wurden über 400 „anti-trans“- Gesetzesentwürfe vorgestellt.2 Zwei Gesetzesänderungen sind besonders problematisch: Verbote von Drag-Shows haben es auch hierzulande in die Mainstream-Medien geschafft. Seit April sollte ein entsprechendes Verbot in Tennessee gelten. Das Inkrafttreten wurde nun auf Anfang Juli verschoben.3 Das „Senate Bill 3“-Gesetz verbietet sog. „Kabarettunterhaltung für Erwachsene“ im öffentlichen Raum und vor Kindern.4 Dabei ist „Kabarettunterhaltung für Erwachsene“ eine Performance durch „Oben-ohne-Tänzer, Go-go-Tänzer, Stripper“ sowie „männliche oder weibliche Imitatoren“. Mit „Kabarett-Performance“ durch „männliche oder weibliche Imitatoren“5 sollen wohl Drag-Shows gemeint sein. „Vor Kindern“ bedeutet,​ dass​ Drag-Shows​ dürfen​ nur​ dort​ stattfinden,​ wo​ Minderjährigen ausdrücklich der Zutritt versagt ist. Das hat Konsequenzen nicht nur für Veranstaltungen wie den CSD, sondern auch für das Privatleben von Betroffenen. Erster Verstoß: bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe, zweiter Verstoß: „Class E felony“ bedeutet „Kapitalverbrechen“ mit Strafandrohung von einem bis zu sechs Jahren Gefängnis. Unter dem Vorwand, Kinder vor „Übersexualisierung“ schützen zu wollen, werden trans* Menschen durch die verabschiedeten Verbote stigmatisiert, diskriminiert und in der öffentlichen Meinung herabgewürdigt. Laut der DW planen im „Land der Freiheit“ aktuell zwölf Bundesstaaten, Drag-Shows im öffentlichen Raum zu verbieten.6
Die zweite problematische Entwicklung dreht sich um Verbote von geschlechtsangleichenden Therapien bei Jugendlichen. Betroffen sind einerseits Hormontherapien, die die Entwicklung sekundärer Geschlechtsmerkmale begünstigen und andererseits chirurgische Eingriffe. Solche Maßnahmen sind für betroffene Kinder und Jugendliche mit Geschlechtsinkongruenz enorm wichtig, um ihre Geschlechtsidentität, den „Kern der menschlichen Persönlichkeit“, mit den äußeren Körpermerkmalen in Einklang zu bringen. Die Therapien ermöglichen den Betroffenen das Aufwachsen in einem Körper, der der eigenen Geschlechtsidentität entspricht. Werden geschlechtsangleichende Therapien hingegen erst mit der Volljährigkeit begonnen, sodass sich das äußere Erscheinungsbild bis dahin von der eigenen Geschlechtsidentität unterscheidet, die Kinder mithin im falschen Geschlecht aufwachsen, erhöht sich die Gefahr für psychische Erkrankungen. Hinzu kommen Stigmatisierung und Diskriminierung gerade in dieser sensiblen Phase. Dementsprechend hoch ist das Suizidrisiko bei trans* Jugendlichen.7 Laut den tragischen Ergebnissen einer kanadischen Studie ist dieses bei trans* Jugendlichen im Vergleich zu cis- Jugendlichen sogar um das Fünffache erhöht.8

Eine Hormontherapie kann diese Risiken erwiesenermaßen stark reduzieren.9 Die nun geplanten Gesetze, die Therapien zur Geschlechtsangleichung für Jugendliche verbieten, würden dem Kindeswohl also schaden, statt es zu schützen. Gerade mit dem Kindeswohl-Argument allerdings, wurde etwa in Montana am 29.04.2023 ein entsprechendes Gesetz mit großer Mehrheit verabschiedet.
Die konservativen Abgeordneten versuchen mit einer gefährlichen Vehemenz, Kritiker*innen mundtot zu machen und die eigenen Vorhaben mit aller Brutalität durchzusetzen. So wurde der transgeschlechtlichen Abgeordneten Zooey Zaphyr, die ihren republikanischen Kolleg*innen in einer Debatte um das Gesetz vorwarf, sie hätten „Blut an ihren Händen“, kurzerhand das Rederecht im Abgeordnetenhaus entzogen. Außerdem entschieden die konservativen, mehrheitlich republikanischen Abgeordneten am 26.04.2023, Zooey Zaphyr wegen angeblichen Verstoßes gegen die guten Sitten der Parlamentskammer, von der Teilnahme an den Sitzungen der Kammer bis zur Sommerpause auszuschließen.10

Und in Deutschland?

Hierzulande warten wir gespannt auf das neue „Selbstbestimmungsgesetz“, welches das diskriminierende „Transsexuellengesetz“ von 1980 endlich ablösen wird. Seit Mitte April liegt der Nachrichtenagentur dpa ein Entwurf des Gesetzes vor. Änderungen der Namens- und Geschlechtseintragungen werden in Zukunft leichter und ohne psychologische Gutachten möglich sein. Was stört, ist eine „Zwangsbedenkzeit“ von drei Monaten sowie einige Sonderregelungen in den Bereichen Sport, Wettkämpfe, Umkleideräume, Strafvollzug,​Wehrpflicht​oder​Quotenregelungen​in​Unternehmen.11 Es sind Ausnahmen vorgesehen, etwa was den Zutritt von trans* Personen zu geschützten Frauenräumen angeht, um „Möglichkeiten des Missbrauchs“ auszuschließen.12 Bizarr ist zudem eine Ausnahme, die Gefängnisaufenthalte angeht: so müssen sich Haftanstalten nicht zwingend am Geschlechtseintrag orientieren. Auf die Weise sollen vermeintlich entgegenstehende „Persönlichkeitsrechte und Sicherheitsinteressen anderer Strafgefangener“ die Verlegung von trans* Frauen in Frauengefängnisse verhindern können. Die Autorin Annika Brockschmidt nannte den Entwurf auf Twitter deshalb eine „rechtliche Legitimationsgrundlage“ für „anti-trans Propaganda“, weil im Gesetz „Ausnahmen geschaffen werden, die auf der Lüge basieren, dass trans Frauen eine Gefahr für cis Frauen seien“.

Noch​ ist​ der​ Entwurf​ nicht​ offiziell​ veröffentlicht;​ es​ bleibt spannend, ob er es durch Bundesrat und Bundestag schafft. Das Gesetz stellt zwar eine substanzielle Verbesserung der Situation von trans* Personen in Deutschland dar, aber die bleibenden Schutzlücken sowie der trans*-feindliche Rollback in den USA machen deutlich, dass es bis zum Ende der Unterdrückung und bis zur tatsächlichen Gleichstellung noch ein weiter Weg ist. Für dieses Ziel kämpfen wir weiterhin. Am 30. April, am 8. März und an jedem anderen Tag im Jahr.

Endnoten:

  1. https://rdl.de/beitrag/flinta-only-take-back-night-demo ↩︎
  2. Etwa Verbote von Drag-Shows, der Teilnahme an Sportwettbewerben, Regelungen zu schulischen Inhalten, Toilettengesetze und „dont-say-gay-Gesetz“ an Schulen:, https://www.queer.de/detail.php?article_id=44974; https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/transgender-debatte-100.html ↩︎
  3. https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/transgender-debatte-100.html; https://edition.cnn.com/2023/03/31/politics/tennessee-drag-show-ban-law-blocked/index.html ↩︎
  4. „In a location where the adult cabaret performance could be viewed by a person who is not an adult“ Obscenity and Pornography Title 7, Chapter 51, Part 14, SECTION 2 (c) (1) (B), https://www.capitol.tn.gov/Bills/113/Bill/SB0003.pdf; https://wapp.capitol.tn.gov/apps/BillInfo/default.aspx?BillNumber=SB0003 ↩︎
  5. „Adult cabaret performance“ means a performance in a location other than an adult cabaret that features topless dancers, go-go dancers, exotic dancers, strippers, male or female impersonators who provide entertainment that
    appeals to a prurient interest, or similar entertainers, regardless of whether or not performed for consideration ↩︎
  6. https://www.dw.com/de/solidarit%C3%A4t-f%C3%BCr-drag-queens-in-den-usa/a-64928190 ↩︎
  7. Studie mit 6.800 Teilnehmenden zwischen 15 und 17 Jahren, erschienen im Canadian Medical Association Journal: Suicidality among sexual minority and transgender adolescents: a nationally representative population-based study of youth in Canada: https://www.cmaj.ca/content/194/22/E767 ↩︎
  8. https://www.mdr.de/wissen/transgender-jugendliche-erhoehtes-suizid-risiko-100.html ↩︎
  9. https://www.aerzteblatt.de/archiv/229772/Geschlechtsangleichung-Hormontherapie-verbessert-psychosoziale-%20Funktion ↩︎
  10. https://www.deutschlandfunk.de/parlament-von-montana-schliesst-trans-abgeordnete-von-sitzungen-aus-100.html ↩︎
  11. https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/details-zum-selbstbestimmungsgesetz-liegen-vor; https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/selbstbestimmungsgesetz-gesetzentwurf-100.html ↩︎
  12. So Marco Buschmann (FDP), der zusammen mit Lisa Paus (Grüne) für den Referentenentwurf verantwortlich war. ↩︎